Früher Morgen an einem Sommertag Ende Juli. Noch liegt das Dischmatal bei Davos im Schatten. Interessiert schauen ein paar Kühe zu, wie Maria Grundmann auf einer Höhe von rund 2200 m.ü.M. den offiziellen Wanderweg verlässt und einen Hang hinab zum Furggabach steigt. Ihr Ziel: Ein grösserer Fels im Bach, an dem sie einen Sensor befestigt hat.
Grundmann ist Umweltingenieurin am SLF und untersucht, welche Faktoren die Temperatur von Gebirgsbächen und -flüssen beeinflussen und wie darin Hitzewellen entstehen. Denn die haben nicht nur negative Folgen für die Pflanzen und Tiere im Wasser, sondern beeinträchtigen auch den Menschen. Die Forscherin will besser verstehen, warum einige Flüsse häufiger extreme Temperaturen haben als andere: «Mit den Erkenntnissen, wie die hohen Wassertemperaturen zustande kommen, können wir nach Massnahmen suchen, um unsere Flüsse davor zu schützen.»
Angler, Industrie und Energieversorger bekommen Probleme
Grundmanns Sensor steckt in einem langen Rohr, das sie an den Felsen geschraubt hat. Mit einem Zollstock misst sie den aktuellen Wasserstand. Dann greift sie zu Stift und Papier und notiert den Wert in einer Tabelle. Parallel dazu ermittelt sie den Wasserstand auch, in dem sie ihn über den Druck des Wassers berechnet, den der Sensor registriert. Denn wieviel Wasser sich aktuell im Bach befindet, beeinflusst, wie der Bach auf Änderungen der Lufttemperatur reagiert.
Ihr Projekt ist eingebettet in ein grösseres Projekt, das europaweit Hitzewellen in Flüssen untersucht. «Wassertemperaturen steigen auf der ganzen Welt aufgrund des Klimawandels», sagt Grundmann. Fische leiden, Erträge von Anglern gehen zurück, die Qualität des Wassers sinkt. Aber auch die Industrie und Energieversorger bekommen Probleme. Wird das Wasser in einem Fluss wärmer, dürfen sie kein aufgewärmtes Kühlwasser mehr einleiten, um das Ökosystem nicht weiter zu belasten. Schlimmstenfalls steht dann die Produktion still.
Gerade in den Bergregionen sind die Folgen des Klimawandels stärker zu spüren als im Flachland. Die eher kleineren Bäche reagieren stärker auf steigende Lufttemperaturen. Andererseits kühlt Schmelzwasser von Schnee und Gletschern das Wasser im Gebirge. «Wir möchten herausfinden, wie stark und wie weit talabwärts man diese Kühlung durch das Schmelzwasser messen kann», nennt Grundmann ihr Ziel.
15 Sensoren im gesamten Tal
Die Umweltingenieurin zeigt in Richtung Talschluss zum Piz Grialetsch. Drei kleine Reste des einst mächtigen Scalettagletschers hängen dort. Noch 1895 ragte er mehr als 500 Meter weiter ins Tal hinein. Auf den Gipfeln daneben liegt trotz Hochsommer eine frische Schicht Neuschnee. An den oberen Bachläufen selbst verschwindet er hier in der Regel erst Ende Mai. Für die Messungen ist das ein relevanter Faktor, denn im Frühjahr kühlt die Schneeschmelze die oberen Teile des Bachs.
Grundmann zieht ihren Sensor aus dem Rohr, holt einen Laptop aus ihrem Rucksack und verbindet beide mit einem Kabel. Daten zu Druck und Wassertemperatur liest sie so aus dem Speicher des Sensors. Die Daten liefern ihr zudem auch Erkenntnisse über die Menge des Abfluss. Fünfzehn solcher Sensoren hat sie im gesamten Tal installiert. Das unterscheidet ihre Arbeit von anderen Projekten. «Meistens gibt es nur eine Messtation pro Fluss, um die Wassertemperaturen zu überwachen, und häufig werden nur Tagesmittelwerte publiziert - wir schauen aber genauer hin und untersuchen auch die Extremtemperaturen während des Tages über das ganze Tal hinweg.» Dazu misst sie die Temperatur der Luft und schliesst daraus auf Einflüsse von Grundwasser, Sonneneinstrahlung und Wind. Bis 2027, wird sie messen. Erste Ergebnisse erwartet sie aber bereits für 2026.
Fest im Fels verankert
Sie ist nicht die erste, die solche Daten im Dischmatal sammelt. Die Forscherin zeigt talabwärts Richtung Davos. In dieser Richtung, bei Teufi, misst das BAFU seit 2003 die Wassertemperatur. «Diese Daten benötige ich, um zu wissen, was im langfristigen Mittel normal ist und was die kurzfristigen Abweichungen sind», sagt Grundmann.
Mittlerweile ist die Sonne über die Gipfel gekommen. Erste Wandergruppen sind unterwegs. Es soll ein heisser Sommertag werden. Grundmann steckte den Sensor wieder ins Rohr. Dann bricht sie auf, zu ihrem Schreibtisch im SLF. Ein letzter Blick zurück. Der Bach rauscht idyllisch. Aber das ist nicht immer so. Insbesondere zur Schneeschmelze und bei starken Regenfällen schwillt er an. Daher hat sie das Metallrohr mit dicken Schrauben fest im Fels verankert: «Meine Messstationen müssen Hochwasser und das damit verbundene Geschiebe aushalten.» Ob das reicht? Grundmann lacht: «Ich hoffe es.»
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