Klimafreundlicherer Weg zum Stickstoffdünger
en-GBde-DEes-ESfr-FR

Klimafreundlicherer Weg zum Stickstoffdünger

28/07/2025 Universität Bonn

Klimafreundlicherer Weg zum Stickstoffdünger Team um Nikolay Kornienko zeigt, wie sich Ammoniak aus Wasser und Stickstoff mithilfe von Strom aus Sonne und Wind herstellen lässt

Die Menschheit hat einen unstillbaren Hunger nach Ammoniak: Denn aus diesem Stoff wird Dünger gemacht, der wiederum in der modernen Landwirtschaft verwendet wird. Bislang ist das Haber-Bosch-Verfahren das Mittel der Wahl, um der schier unerschöpflichen Lufthülle Stickstoff zu entziehen und in Form von Ammoniak zu binden. Dieser Weg braucht jedoch extrem viel Methangas und Energie. Prof. Nikolay Kornienko von der Universität Bonn hat eine klimafreundlichere Alternative entdeckt, mit der sich Ammoniak aus regenerativen Energiequellen herstellen lässt. Das Forschungsteam stellt seine Ergebnisse nun im Journal „Nature Communications“ vor.

Wie im Garten Eden: Getreide, Rüben und Kartoffeln sollen möglichst üppig sprießen, damit die Teller gut gefüllt sind. Dafür sorgt regelmäßige Düngung
- vor allem mit Stickstoff. Ein Nährelementquell, der scheinbar nie versiegt. Denn Anfang des 20. Jahrhunderts entwickelten Fritz Haber und Carl Bosch ein Verfahren, das Stickstoff aus der schier unerschöpflichen Luft gewinnt. Für diese Leistung gab’s 1918 den Nobelpreis für Chemie.

Mit einem eisenhaltigen Katalysator, sehr hohem Druck und Temperaturen von bis zu 500 Grad Celsius bindet das Haber-Bosch-Verfahren Stickstoff aus der Luft an Wasserstoff, wodurch Ammoniak entsteht. Nur am Rande: Auch einige Pflanzen beherrschen die Kunst, mit winzigen Bakterien in ihren Wurzeln Luftstickstoff zu binden und für ihr Wachstum verfügbar zu machen.
Allerdings schaffen dies die grünen Gewächse klimaneutral, der Mensch bislang nicht.

„Das Haber-Bosch-Verfahren ist extrem energieaufwendig“, sagt Prof. Dr.
Nikolay Kornienko vom Institut für Anorganische Chemie der Universität Bonn.
Grundlage für die Ammoniak-Gewinnung sind ganz überwiegend fossile Energieträger – entsprechend groß ist der Ausstoß am Treibhausgasen. „Um das Ziel einer nachhaltigen und klimaneutralen Gesellschaft zu erreichen, ist die Suche nach alternativen Ammoniak-Synthese-Prozessen prioritär“, sagt Kornienko, der auch Mitglied im Transdisziplinären Forschungsbereich „Matter“ der Universität Bonn ist.

Stickstoffdünger aus Sonne und Wind

Alternative Methoden? Daran wird schon länger experimentiert. Ziel ist es, die Haber-Bosch-Ammoniaksynthese durch ein Verfahren zu ersetzen, das mit regenerativer Energie etwa aus Sonne und Wind arbeitet. Der erforderliche Wasserstoff stammt dann nicht mehr aus dem Methangas, sondern wird direkt aus der elektrischen Spaltung von Wasser (H2O) in Wasserstoff (H2) und Sauerstoff (02) gewonnen. Klingt einfach? Ist es aber nicht. Wer Ammoniak mithilfe von Wind und Sonne in großem Maßstab produzieren will, muss in den chemischen Reaktionswegen etliche Klippen umschiffen.

„Die Lithium-vermittelte Stickstoffreduktionsreaktion (LiNRR) gilt als der robusteste Weg zur Elektrifizierung der Ammoniak-Synthese“, sagt Hossein Bemana, der Hauptautor der Studie. In diesem System werden Lithium-Ionen
(Li+) elektrochemisch zu einer Lithium-Metallschicht reduziert. Dieses Lithiummetall kann dann mit Stickstoffgas (N2) reagieren und eine Lithium-Stickstoff-Verbindung bilden. Wenn eine Wasserstoffquelle vorhanden ist, wird die Lithium-Stickstoff-Verbindung in Ammoniak (NH3) und gelöste Lithium-Ionen umgewandelt. Dann geht es wieder von vorne los, und der Prozess kann von neuem beginnen. Soweit die Theorie.

„Generell sehen wir dieses System vorerst als Modell an, da mehrere praktische Schwierigkeiten bestehen“, sagt Kornienko. Weil eine hohe Spannung erforderlich ist, um Lithiumionen zu metallischem Lithium zu reduzieren, ist der Energiewirkungsgrad auf etwa 25 Prozent begrenzt.
Außerdem muss das System in einer luft- und wasserfreien Umgebung arbeiten, da Lithiummetall sehr reaktiv ist. Eine weitere Herausforderung ist, dass ähnlich wie in Batterien auf der Lithiumschicht eine poröse Festelektrolyt-Grenzschicht (solid electrolyte interphase, abgekürzt: SEI) wächst. Diese Schicht muss den Durchgang von Stickstoffgas und Wasserstoff als Reaktanten zum Lithium ermöglichen.

Das Falsche wird geopfert

Im Idealfall würde der Wasserstoff direkt aus der Spaltung von Wasser stammen. Doch werden in diesem System in der Regel Alkohole als Wasserstoffquelle verwendet. Teils zersetzt sich auch das Lösungsmittel und dient dann selbst als Wasserstoffquelle. „Dies macht das System unpraktisch, da mehrere Alkohol- oder Lösungsmittelmoleküle geopfert werden müssen, um ein Ammonium herzustellen“, sagt der Chemiker.

Jedoch haben die Forschenden einen Weg gefunden, wie sich der Wasserstoff direkt aus der Spaltung von Wasser gewinnen und auf Stickstoff übertragen lässt. Sie haben eine Palladiumfolie (Pd) als Elektrode und gleichzeitig als Membran verwendet. „Palladium kann als Membran dienen, weil es Wasserstoffatome durchzulässt“, berichtet Kornienko. Im Experiment trennte die Pd-Folie eine wasserfreie Reaktionsumgebung, in der die LiNRR-Reaktionen ablaufen, von einer Reaktionsumgebung auf Wasserbasis. „Am Ende konnten wir Wasserstoffatome elektrochemisch direkt aus dem Wasser entnehmen und auf das reaktive Lithium/Lithium-Stickstoff-Material übertragen, um Ammoniak herzustellen“, sagt der Chemiker.

Dass dies wirklich so funktioniert wie gewünscht, haben die Forschenden mit Infrarotspektroskopie und Massenspektrometrie nachgewiesen. Sie verwendeten ein schweres Isotop des Wassersstoffs (Deuterium = D) als Wasserquelle und stellten damit ND3 statt NH3 her. Umgekehrt markierten die Forschenden alle Moleküle im LiNRR-Kompartiment mit D anstelle von H – wie gewünscht entstand in diesem Fall NH3 und nicht wie zuvor ND3.

Forscher reichen Patentanmeldung ein

Hossein Bemana und Nikolay Kornienko haben zu diesem Verfahren bereits ein Patent angemeldet. Das Forschungsteam verwendete für seine Experimente zur Erzeugung von Ammoniak (NH3) nur elektrischen Strom. Allerdings ist es noch ein weiter Weg, bis sich der gewünschte Stickstoffdünger aus erneuerbaren Energiequellen wirtschaftlich rentabel herstellen lässt. Hierfür müssten die Wissenschaftler etwa die 1000-fache Ausbeute im Vergleich zu ihren aktuellen Experimenten erreichen. „Wir befinden uns noch in der Anfangsphase“, sagt der Chemiker. „Generell muss an den Reaktionsgeschwindigkeiten und der Selektivität des Systems – der Steuerung der Elektronen zum gewünschten Ziel – geforscht werden.“

Förderung:

Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) förderte das Projekt. Der Open Access Publication Fund der Universität Bonn unterstützte die Veröffentlichung.

Publikation: Hossein Bemana, Hendrik Schumann, Morgan McKee, Senada Nozinovic, Jörg Daniels, Ralf Weisbarth, Nikolay Kornienko: Accelerating lithium-mediated nitrogen reduction through an integrated palladium membrane hydrogenation reactor, „Nature Communications“, DOI:
10.1038/s41467-025-62088-z, URL:
https://www.nature.com/articles/s41467-025-62088-z
Publikation: Hossein Bemana, Hendrik Schumann, Morgan McKee, Senada Nozinovic, Jörg Daniels, Ralf Weisbarth, Nikolay Kornienko: Accelerating lithium-mediated nitrogen reduction through an integrated palladium membrane hydrogenation reactor, „Nature Communications“, DOI:
10.1038/s41467-025-62088-z, URL:
https://www.nature.com/articles/s41467-025-62088-z
Attached files
  • Reaktorschema, bei dem Wasser direkt als Wasserstoffquelle genutzt wird, um mit Hilfe von elektrischem Strom Ammoniak zu erzeugen. Abbildung: Nikolay Kornienko
28/07/2025 Universität Bonn
Regions: Europe, Germany
Keywords: Science, Chemistry, Environment - science

Disclaimer: AlphaGalileo is not responsible for the accuracy of content posted to AlphaGalileo by contributing institutions or for the use of any information through the AlphaGalileo system.

Testimonials

For well over a decade, in my capacity as a researcher, broadcaster, and producer, I have relied heavily on Alphagalileo.
All of my work trips have been planned around stories that I've found on this site.
The under embargo section allows us to plan ahead and the news releases enable us to find key experts.
Going through the tailored daily updates is the best way to start the day. It's such a critical service for me and many of my colleagues.
Koula Bouloukos, Senior manager, Editorial & Production Underknown
We have used AlphaGalileo since its foundation but frankly we need it more than ever now to ensure our research news is heard across Europe, Asia and North America. As one of the UK’s leading research universities we want to continue to work with other outstanding researchers in Europe. AlphaGalileo helps us to continue to bring our research story to them and the rest of the world.
Peter Dunn, Director of Press and Media Relations at the University of Warwick
AlphaGalileo has helped us more than double our reach at SciDev.Net. The service has enabled our journalists around the world to reach the mainstream media with articles about the impact of science on people in low- and middle-income countries, leading to big increases in the number of SciDev.Net articles that have been republished.
Ben Deighton, SciDevNet

We Work Closely With...


  • e
  • The Research Council of Norway
  • SciDevNet
  • Swiss National Science Foundation
  • iesResearch
Copyright 2025 by AlphaGalileo Terms Of Use Privacy Statement