FRANKFURT. Wenn es bei Darmtumoren um die Therapieoptionen jenseits von Operation und Bestrahlung geht, ist in den vergangenen Jahren eine Frage sehr zentral geworden: Ist das DNA-Reparatursystem des Tumors defekt, ist er „mikrosatelliteninstabil“? 15 bis 20 Prozent aller Tumoren haben diese Eigenschaft und dadurch gute Chancen, mit einer Immuntherapie erfolgreich bekämpft werden zu können. Häufig werden sogenannte Immuncheckpoint-Inhibitoren eingesetzt. Sie neutralisieren die „Schutzhülle“ des Tumors, mit der dieser dem Immunsystem vorgaukelt, er bestünde aus harmlosen Körperzellen. Damit können körpereigene Abwehrzellen – T-Zellen – den Tumor dann eliminieren.
Bei vielen Darmkrebserkrankungen aber dringen Immuntherapien, selbst Chemo- und Strahlentherapien nicht zuverlässig durch. Der Grund liegt in der Umgebung des Tumors, erklärt Prof. Florian Greten, Krebsforscher am Georg-Speyer-Haus und der Goethe-Universität Frankfurt und Sprecher des neuen TRR 417: „Tumoren wachsen nicht als Fremdkörper im Darmgewebe, sie beziehen vielmehr ‚normale‘ Zellen ein, wie Bindegewebszellen – Fibroblasten –, Immunzellen und Gefäßzellen. Diese Körperzellen programmiert der Tumor um und integriert sie zu einem Tumormikromilieu, das zudem noch in enger Wechselwirkung mit den Darmbakterien und weiteren Mikroorganismen steht, dem Mikrobiom.“
Im neuen Sonderforschungsbereich/Transregio TRR 417 „Cellular Communication in the Stroma of Colorectal Cancer: From Pathophysiology to Clinical Translation“ werden nun Wissenschaftler*innen aus Medizin, Biologie und Datenwissenschaften der Goethe-Universität Frankfurt, der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg und der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg dieses Tumormikromilieu weiter erforschen. Greten erläutert: „Wir bauen auf den Erfahrungen auf, die wir seit 2016 in der Zusammenarbeit in der DFG-Forschungsgruppe 2438 zum Thema gesammelt haben. In dieser Forschungsgruppe konnten wir nicht nur zahlreiche wissenschaftliche Erkenntnisse gewinnen, sondern haben auch gemeinsame Standards, Modelle und Technologien entwickelt.“ Darauf aufbauend werden die Forschenden nun neuartige Therapiekonzepte entwickeln, so Greten: „Wir möchten herausfinden, wie wir das Tumormikromilieu gezielt verändern und therapeutisch nutzen können, um Behandlungen zu verbessern und für Immuntherapien zugänglich machen – insbesondere bei den Darmtumoren, die bislang schlecht auf bestehende Therapien ansprechen.“
Prof. Enrico Schleiff, Präsident der Goethe-Universität, sagte: „Der Erfolg des TRR 417 freut mich besonders, weil er zeigt, dass Prof. Greten und seine Kolleginnen und Kollegen es über viele Jahre hinweg strategisch verstanden haben, herausragende Expertise aus den onkologischen Spitzenzentren Deutschlands – der Deutschen Krebshilfe, des Deutschen Konsortiums für Translationale Krebsforschung, des Bayerischen Zentrums für Krebsforschung und des Nationalen Zentrums für Tumorerkrankungen – zu einem Team zusammenzuschweißen. Ihr Ansatz, Grundlagenforschung schnell in die klinische Anwendung fließen zu lassen, steht prototypisch für die Wissenschaft im Profilbereich „Science for Health“ der Goethe-Universität. Ich bin sehr gespannt auf den reichen wissenschaftlichen Ertrag und die nächste Generation von Clinician Scientists, die aus diesem Sonderforschungsbereich erwachsen werden.“
Die DFG fördert den TRR 417 für zunächst vier Jahre mit rund 17,7 Millionen Euro. Die Förderung kann zweimal um je vier Jahre verlängert werden.