Fortbewegungsmuster helfen beim Übergang zwischen Gewebekompartimenten – Erklärung für Asymmetrie im Körperbau der Erreger
Die millionenfach verbreitete Infektionskrankheit Malaria wird durch den Stich einer Mücke übertragen, die den Malaria-Parasiten in sich trägt. Nach dem Eindringen in die Haut bewegt sich der Erreger auf spiralförmigen Bahnen. Er dreht sich dabei fast immer nach rechts, wie ein Team von Physikern und Malaria-Forschern der Universität Heidelberg herausgefunden hat. Die Wissenschaftler konnten mit hochauflösenden bildgebenden Verfahren in Verbindung mit Computersimulationen zeigen, dass der Erreger diese rechtshändigen Spiralen nutzt, um seine Fortbewegung beim Übergang von einem Gewebekompartiment zum nächsten zu kontrollieren. Ermöglicht werden diese Bewegungsmuster durch eine bislang unerklärte Asymmetrie im Körperbau des Einzellers. Die Heidelberger Erkenntnisse könnten dabei helfen, die Erprobung von neuen Wirk- und Impfstoffen zu verbessern, so die Forscher.
Der Malaria-Erreger Plasmodium wird von der Speicheldrüse der Mücke in die Haut des Wirts übertragen. In diesem frühen Stadium weist der einzellige Parasit einen mondsichelförmigen Körperbau auf. Diese ungewöhnliche Zellform ist für die charakteristischen spiralförmigen Bewegungen der sogenannten Sporozoiten verantwortlich. Sie erleichtern es dem Erreger, sich zum Beispiel um Blutgefäße zu winden oder Halt in umliegendem Gewebe zu finden, wie der Physiker Prof. Dr. Ulrich Schwarz und der Malaria-Forscher Prof. Dr. Friedrich Frischknecht in gemeinsamen Vorgängerstudien nachweisen konnten. „Unsere neuen Untersuchungen zeigen, dass sich Malaria-Parasiten in dreidimensionalen Umgebungen fast ausschließlich auf rechtshändigen Spiralen bewegen“, erläutert Prof. Schwarz, der die Forschungsgruppe „Physik komplexer Biosysteme“ am Institut für Theoretische Physik der Universität Heidelberg leitet.
In Experimenten am Zentrum für Infektiologie des Universitätsklinikums Heidelberg haben die Wissenschaftler deshalb untersucht, welche biologische Funktion die rechtsdrehende Art der Fortbewegung haben könnte. Als Gewebeersatz nutzten sie synthetische Hydrogele, die den Einsatz hochauflösender bildgebender Verfahren und einen quantitativen Vergleich mit Computersimulationen der Zellbewegung ermöglichen. Dabei entdeckten die Forscher, dass sich die Parasiten am Boden des Hydrogels auf dem Glassubstrat anders verhalten als wenn sie direkt aus einer flüssigen Lösung auf ein Glasplättchen aufgebracht werden. In dem einen Fall drehen sie sich auf dem Glas im Uhrzeigersinn, in dem anderen gegen den Uhrzeigersinn. Die Wissenschaftler schließen daraus, dass die rechtsdrehende Bewegung bestimmt, wie der Parasit von einem Kompartiment in ein anderes eindringt.
„Wir vermuten, dass sich diese Chiralität im Laufe der Evolution ausgebildet hat, damit der Erreger schnell und immer in der gleichen Art und Weise zwischen den verschiedenen Gewebekompartimenten im Wirtskörper wechseln kann“, so Friedrich Frischknecht, der eine Professur für Integrative Parasitologie an der Medizinischen Fakultät Heidelberg der Universität Heidelberg innehat und am Center for Integrative Infectious Diseases Research des Universitätsklinikums Heidelberg forscht. Die unterschiedlichen Bewegungsmuster auf herkömmlichen Substraten in Lösung und aus einem dreidimensionalen Hydrogel kommend könnten zudem erklären, warum die Sporozoiten in bisherigen Laborversuchen kaum erfolgreich darin waren, in Leberzellen einzudringen. „Unsere Ergebnisse zeigen, dass es einen großen Unterschied macht, ob die Erreger direkt auf Glas aufgetragen werden oder sich erst durch ein Gewebe bewegen“, erläutert Dr. Mirko Singer, Postdoktorand in der Gruppe von Prof. Frischknecht. Die aktuellen Erkenntnisse zur Fortbewegung der Parasiten könnten daher dazu beitragen, experimentelle Assays zu verbessern und neue Ansätze der Infektionsprävention zu entwickeln.
Durch die Kombination von hochauflösender Bildgebung und mathematischen Modellen gelang es den Forschern auch, den zugrunde liegenden molekularen Mechanismus aufzudecken. Aus theoretischen Arbeiten war bekannt, wie die besondere Form des Parasiten – der mondsichelförmige Körperbau – seine Fortbewegung beeinflusst. „Unsere Computersimulationen haben bestätigt, dass nur eine Asymmetrie am vorderen Ende der Parasiten für die im Experiment beobachteten Bewegungsmuster verantwortlich sein kann“, so Leon Lettermann, Doktorand in der Gruppe von Prof. Schwarz. Unter einem superauflösenden Mikroskop konnten die Wissenschaftler eine Besonderheit im Körperbau der Parasiten identifizieren, die zu einer ungleichen Kraftverteilung entlang des Körpers führt.
Durchgeführt wurden die Forschungsarbeiten an dem von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) geförderten Sonderforschungsbereich „Integrative Analyse der Replikation und Ausbreitung pathogener Erreger“, der an der Medizinischen Fakultät Heidelberg der Universität Heidelberg angesiedelt ist. Zudem waren sie Teil des DFG-Schwerpunktprogramms „Physik des Parasitismus“. An den Untersuchungen waren auch Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Johns Hopkins University in Baltimore (USA) beteiligt. Die Ergebnisse sind in der Fachzeitschrift „Nature Physics“ erschienen.
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