Islamfeindlichkeit basiert auf Fremdenhass, nicht auf Religion
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Islamfeindlichkeit basiert auf Fremdenhass, nicht auf Religion

21/11/2025 Universität Mainz

Islamfeindlichkeit in Westeuropa hat weit weniger mit religiösem Glauben zu tun, als oft angenommen wird. Stattdessen wird sie wesentlich stärker durch fremdenfeindliche und autoritäre Einstellungen befeuert. Das zeigt eine neue Studie der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU), die in der politikwissenschaftlichen Fachzeitschrift Research & Politics erschienen ist. Prof. Dr. Kai Arzheimer vom Institut für Politikwissenschaft der JGU zeigt darin, dass anti-muslimische Vorurteile eng mit nativistischen und rechten autoritären Einstellungen verknüpft sind. Der individuelle christliche Glaube hingegen spielt demnach kaum eine Rolle – was der verbreiteten Annahme widerspricht, Religion sei maßgeblich für islamfeindliche Einstellungen in Westeuropa verantwortlich.

Die Studie entstand im Rahmen des internationalen SCoRE-Projekts, das politische Einstellungen und Radikalisierung in Europa untersucht. Prof. Dr. Kai Arzheimer, Leiter des Arbeitsbereichs Innenpolitik / Politische Soziologie an der JGU, analysierte dafür Daten von knapp 75.000 Personen aus Großbritannien, Frankreich, Deutschland und den Niederlanden. Seine Grundlage war ein umfangreicher Fragebogen, der zentrale rechtspopulistische und rechtsextreme Einstellungen – darunter Nativismus, Autoritarismus und Populismus – mit ungewöhnlicher Genauigkeit erfasste.

Wurzeln anti-muslimischer Einstellungen

Die Analyse konzentrierte sich auf Staatsbürgerinnen und Staatsbürger der vier genannten Länder. Personen, die anderen Religionen als dem Christentum angehörten, wurden nicht berücksichtigt; Menschen ohne religiösen Glauben wurden einbezogen. Anschließend untersuchte die Studie mithilfe eines statistischen Verfahrens, wie fünf zentrale Faktoren miteinander zusammenhängen:

  • christliche Religiosität, erfasst über kirchliches Engagement;
  • Nativismus, verstanden als die Wahrnehmung von Zuwanderung als kulturelle oder wirtschaftliche Bedrohung;
  • Islamfeindlichkeit, gemessen über eine standardisierte Erfassung anti-muslimischer Vorurteile;
  • rechte autoritäre Einstellungen, sichtbar etwa in der Unterstützung strenger Strafen und traditioneller Normen; sowie
  • Populismus, geprägt von Misstrauen gegenüber Eliten und einer idealisierten Vorstellung vom "Volk".

"Die Ergebnisse sind sehr deutlich", so Arzheimer. "In allen vier Ländern ist der Zusammenhang zwischen persönlicher Religiosität und Islamfeindlichkeit praktisch gleich null. Menschen, die regelmäßig in die Kirche gehen oder sich einer christlichen Tradition zuordnen, sind also nicht systematisch islamfeindlicher als Menschen ohne religiösen Glauben." Deutlich nachweisbar sei dagegen der Zusammenhang zwischen Islamfeindlichkeit und sowohl nativistischen als auch autoritären Einstellungen – und das in allen vier Ländern gleichermaßen.

Strategische Nutzung christlicher Identität

"Diese Ergebnisse sind wichtig, um zu verstehen, warum einige rechtspopulistische Parteien in Westeuropa sich als Verteidiger angeblicher 'christlicher Werte' gegen eine vermeintliche islamische Bedrohung inszenieren", erklärt Arzheimer. In der Forschung wird diese Strategie als "Christianismus" bezeichnet – also die politische Instrumentalisierung christlicher Identität. Dass diese Strategie funktionieren kann, erklärt der Politikwissenschaftler damit, dass sie echten christlichen Glauben klar von anti-muslimischen Ressentiments trennt.

"Akteure der radikalen Rechten haben ein Narrativ geschaffen, in dem das Christentum als kulturelles Symbol einer angeblichen westlichen Zivilisation erscheint, während der Islam als Bedrohung für 'unsere' Identität dargestellt wird", so Arzheimer weiter. "Damit erreichen sie eine breite, zunehmend säkulare Wählerschaft, die zugleich offen ist für nationalistische und einwanderungskritische Botschaften."

Unterschiede zwischen Europa und den USA

Die Studie zeigt auch, wie rechtspopulistische Parteien es vermeiden, als offensichtlich rassistisch erkannt zu werden – nämlich indem sie das Christentum nicht als Glaubenssystem darstellen, das auf Demut, universellen Werten und Mitgefühl beruht, sondern als kulturelles Abgrenzungsmerkmal. "Dieses Vorgehen fügt sich in eine Strategie, die Kulturen als unvereinbare Gegensätze inszeniert – und in der Wissenschaft als 'zivilisatorischer Populismus' bezeichnet wird."

Darüber hinaus bietet Arzheimers Studie eine Erklärung dafür, warum es in Westeuropa – anders als in den USA – keine dezidiert religiösen Parteien am rechten Rand gibt: In den USA stützen sich rechtsextreme Bewegungen teils auf Strömungen des weißen Christentums, die eng mit rassistischen und migrationsfeindlichen Einstellungen verknüpft sind. In Westeuropa hingegen fehlt ein solcher Nährboden.

"Vor diesem Hintergrund wird verständlich, warum einige westeuropäische Parteien der radikalen Rechten auf christianistische Narrative zurückgreifen", resümiert Arzheimer. "Offen bleibt allerdings, ob diese Strategie tatsächlich erfolgreicher ist als andere – und ob diese kulturell aufgeladene Berufung auf 'christliche Werte' in zunehmend säkularen Gesellschaften Bestand haben wird, in denen religiöse Führungspersonen die radikale Rechte offen kritisieren."


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Weiterführende Links:
Lesen Sie mehr:
K. Arzheimer, Islamophobia in Western Europe is unrelated to religiosity but highly correlated with far right attitudes, Research & Politics, 10. Juli 2025,
DOI: 10.1177/20531680251351895
https://journals.sagepub.com/doi/10.1177/20531680251351895
21/11/2025 Universität Mainz
Regions: Europe, Germany, France, North America, United States
Keywords: Society, Social Sciences, Politics

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