Wenn eine Schwangerschaft kompliziert wird, steht nicht nur das Leben der Mutter auf dem Spiel, sondern auch das des ungeborenen Kindes. Doch was tun, wenn Medikamente gegen weitverbreitete Infektionen und andere Schwangerschaftskomplikationen wie Schwangerschaftsvergiftung, Diabetes oder eine drohende Frühgeburt entweder nicht wirken oder zu riskant sind?
Die medizinische Forschung hat eine mögliche Antwort: Nanozyme. Die winzigen, künstlich hergestellten Partikel könnten dazu beitragen, Entzündungsprozesse in der Plazenta zu behandeln, ohne Mutter oder Kind zu schaden. Ein Team aus Forschenden der Empa, der ETH Zürich, des Kantonsspital St. Gallen und der chinesischen «Zhejiang University» entwickelt nun in einem vom Schweizer Nationalfonds (SNF) geförderten Projekt neuartige Nanozyme. Dabei wird der Entwicklungsprozess von umfassenden Studien zu deren Medikamentensicherheit begleitet.
Ein Baukasten für sichere Therapien
Nanozyme sind kleinste synthetische Verbindungen im Nanometer-Bereich mit Enzym-artigen Eigenschaften, die bereits in anderen medizinischen Feldern erforscht werden, etwa in der Krebstherapie. Aufgebaut sind sie aus einem nanostrukturierten Kern (z.B. Metallatome oder Metalloxide), der die enzymatische Aktivität bestimmt, und Oberflächenmodifikationen, die die Stabilität der Nanozyme erhöhen und ihre Spezifität verbessern. «Auf diese Weise wollen wir einen massgeschneiderten Einsatz für verschiedene Anwendungsbereiche ermöglichen», erklärt Empa-Forscher Tagaras.
Die Aktivität der Nanozyme ändert sich dabei, je nachdem welche Krankheitsprozesse im Einsatzgebiet vorherrschen: Aus einem «Stealth Mode», einer Art inaktivem Tarnkappen-Zustand, können sie aktiv werden, um bei Entzündungsprozessen etwa reaktive Sauerstoffspezies (ROS) einzufangen oder bei einer Infektion Bakterien zu zerstören.
Die Entwicklung der Nanozyme geht dabei mit Laborexperimenten zur Sicherheit der neuartigen Medikamente einher. Hier wenden die Forschenden in den Empa-Labors entwickelte und erprobte Modelle an, die das Geschehen an der Plazenta und im Organismus von Mutter und Kind naturgetreu abbilden. «Der Aufbau, der Stoffwechsel und das Ineinandergreifen von mütterlichem und fetalem Gewebe sind beim Menschen einzigartig», sagt Teamleiterin Tina Bürki vom «Nanomaterials in Health»-Labor der Empa in St. Gallen. Daher sei es erforderlich, die Wirkung der Nanozyme an Labormodellen mit menschlichen Zellen und Geweben zu untersuchen. Zum Einsatz kommt hier das bereits etablierte Plazenta-Modell, wofür das Team voll funktionsfähige menschliche Plazenten nutzt, die nach Kaiserschnitten zur Verfügung gestellt wurden. «Nur dank menschlichem Plazentagewebe lassen sich aussagekräftige Resultate zum Transport und der Wirkung der Nanozyme ermitteln», sagt die Empa-Forscherin.
Ein vielversprechender Start
Einen weiteren Schritt zu sicheren Nanomedikamenten ermöglicht der sogenannte Plazenta-Chip, ein fingerlanger Polymer-Chip, auf dem menschliche Zellen wachsen, die die Plazenta-Schranke und den Embryo in möglichst realitätsnahen Bedingungen repräsentieren. Auf diese Weise können nebst Transportprozessen an der Plazenta auch die direkten und indirekten Schadwirkungen der Nanozyme auf die frühe Embryonalentwicklung untersucht werden.
Erste Ergebnisse des Projekts sind vielversprechend. «Die Nanozyme beeinträchtigen die Plazentaschranke nicht und zeigen bisher keine negativen Auswirkungen auf die untersuchten Modelle », so Empa-Forscher Tagaras. Als nächstes wird das Team die entzündungshemmende und antibakterielle Wirkung der Nanozyme analysieren.
Regions: Europe, Switzerland
Keywords: Health, Medical, Applied science, Nanotechnology