Mit 3D-Technologie und interdisziplinärer Expertise hat ein Forschungsteam buddhistische Tempelanlagen in der abgelegenen Region Dolpo in Nepal erforscht und für die Nachwelt digitalisiert.
In der hochgelegenen und äußerst abgeschiedenen Region Dolpo im Nordwesten Nepals gibt es zahlreiche buddhistische Tempelanlagen, deren Entstehungsgeschichte bis ins 11. Jahrhundert zurückreicht. Die Bauwerke sind durch Erdbeben, Erdrutsche und geplante Infrastrukturprojekte wie die neue chinesische Seidenstraße bedroht. Zudem fehlen die finanziellen Mittel für den langfristigen Erhalt. Forschende des Instituts für Architekturtheorie, Kunst- und Kulturwissenschaften und des Instituts für Ingenieurgeodäsie und Messsysteme der TU Graz möchten den Verlust dieses bislang kaum erforschten Kulturerbes verhindern. Sie haben mit Unterstützung des Österreichischen Wissenschaftsfonds FWF im Rahmen mehrerer Expeditionen Bauwerke dokumentiert, analysiert, vermessen und einige dieser Tempelanlagen als 3D-Computermodelle konserviert – und könnten damit auch dazu beigetragen haben, dass die realen Bauwerke erhalten bleiben. Die Ergebnisse wurden nun in der Fachzeitschrift „Heritage“ publiziert.
Neues Wissen schaffen
„Schriftliche und bildliche Quellen zu den Tempeln in Dolpo sind rar, daher liefern die Gebäude selbst meist die verlässlichsten Informationen zu ihrer Geschichte. Mit unserer Forschung wollten wir neues Wissen über die sakrale Architektur der Region schaffen und den Bestand im historischen und kunsthistorischen Kontext einordnen“, sagt Carmen Auer vom Institut für Architekturtheorie, Kunst- und Kulturwissenschaften. Sie erforscht im Rahmen unterschiedlicher FWF-Projekte und Kooperationen gemeinsam mit ihrem Team bereits seit Anfang der 2000er-Jahre die Regionen im westlichen Himalaya. „Unsere Forschungsergebnisse sind für alle öffentlich zugänglich. Sie liefern auch Grundlagen für mögliche Sanierungen der Tempelanlagen und stärken das Bewusstsein für den Wert dieses Kulturerbes, in der Region und darüber hinaus. Diese erhöhte Aufmerksamkeit wird hoffentlich auch dazu beitragen, dass mehr Mittel für den Erhalt der Anlagen bereitgestellt werden.“
Angepasste Vermessungsmethoden
Aufgrund der Abgeschiedenheit Dolpos und der großen Einsatzhöhen war intensive Vorbereitungsarbeit an geeigneten Vermessungsmethoden nötig. Das Gebiet ist nur zu Fuß und mit Lastentieren erreichbar, daher musste das Gewicht der mitgenommenen Instrumente möglichst gering bleiben. Zudem gibt es in der Region kaum Strom und Internet, weshalb die Forschenden auf Solarpanele und Batterien zurückgreifen und die verwendete Software anpassen mussten, damit sie auch ohne Kontakt zum Herstellerserver funktionierte.
Helmut Woschitz und Peter Bauer vom Institut für Ingenieurgeodäsie und Messsysteme setzten auf eine 3D-Vermessungstechnik, bei der ein Laserscanner, eine Vermessungs-Totalstation, eine Mini-Drohne und eine DSLR-Kamera zum Einsatz kamen. Grundlegende Untersuchungen im geodätischen Messlabor der TU Graz trugen wesentlich zur Weiterentwicklung der Instrumente und Messmethoden bei. Mit der gewählten Ausstattung war es möglich, neben der Gebäudesubstanz auch Inschriften, Skulpturen sowie Wand- und Deckenmalereien zu erfassen. Anhand der so gewonnenen Daten erstellte das Forschungsteam 3D-Modelle sowie 2D-Pläne (Lagepläne, Grundrisse, Schnitte, Ansichten), die Einblicke in die Gebäudestruktur erlauben; beispielsweise vom Nesar-Tempel: https://igms.3dworld.tugraz.at/HomepageBijer.html.
Bislang 18 buddhistische Stätten dokumentiert
Das Forschungsteam der TU Graz hat zwischen 2018 und 2023 bei vier Forschungsaufenthalten insgesamt 18 buddhistische Stätten in die Dokumentation aufgenommen, wovon es bereits 16 Ensembles vermessen und analysieren konnte. „Sie sind Teil einer sakralen Landschaft, die sich über Jahrhunderte entwickelt hat. Die Wahl des Standortes, des Bautyps und die Ausrichtung der Gebäude sind von traditionellen Erzählungen, geografischen Gegebenheiten und symbolischen Vorstellungen geprägt“, erläutert Carmen Auer. Um diese Prozesse zu verstehen, war ein offener Austausch mit der lokalen Bevölkerung, eine umfassende Dokumentation und eine fachübergreifende Zusammenarbeit notwendig.
Für die Zukunft ist geplant, die nördlichste Region Dolpos rund um das Yangtse-Kloster nahe der Grenze zu Tibet zu erforschen, wo bisher viele Bauwerke noch nicht dokumentiert worden sind.
Website: https://archresearch.tugraz.at/