Auf dem Saturnmond Titan herrschen extreme Bedingungen. Diese faszinieren die Forschung seit Jahrzehnten. Eine neue Studie von Prof. Dr. Christian Mayer (Universität Duisburg-Essen) und Dr. Conor A. Nixon (NASA Goddard Space Flight Center) beschreibt nun einen Prozess, wie sich auf Titan zellähnliche Strukturen – sogenannte Vesikel – bilden können. Solche Strukturen gelten als erster Schritt zur Entstehung von Leben.
Titan ist der einzige Mond im Sonnensystem mit einer dichten Atmosphäre, die reich an Stickstoff und Methan ist. Neben der Erde ist er zudem der einzige bekannte Himmelskörper mit Seen und Meeren – allerdings gefüllt mit flüssigen Kohlenwasserstoffen wie Methan, nicht mit Wasser. Diese Stoffe verdunsten, bilden Wolken und fallen als Regen zurück. In diesem Kreislauf entstehen organische Moleküle, sogenannte Amphiphile, die für die Bildung von Zellmembranen entscheidend sein könnten.
Mayer und Nixon haben ein theoretisches Modell entwickelt, das auf fundierten Analysen der Bedingungen auf Titan beruht – darunter Atmosphäre, Temperatur, Druckverhältnisse und Molekülverhalten. Ergänzt wird es durch Laborsimulationen und Erkenntnisse aus früheren Experimenten.
Demnach könnte der Prozess so ablaufen: Wenn Methanregen auf Titans Seen trifft und dabei Sprühnebel erzeugt, entstehen winzige Tröpfchen, die mit einer Schicht von Amphiphilen umhüllt sind. Treffen sie erneut auf die Flüssigkeitsoberfläche, verbinden sich ihre Hüllen mit der Molekülschicht des Sees zu einer stabilen Doppelmembran. So entstehen Vesikel – zellähnliche Hüllen, die Flüssigkeit einschließen.
„In ihrer Umgebung können diese Strukturen weitere Moleküle aufnehmen und dadurch stabiler werden“, erklärt Mayer. „Die beständigeren Vesikel überleben länger – es entsteht eine Art molekularer Wettbewerb, der eine frühe Form von Evolution möglich macht. Das wäre ein erster Schritt hin zu Protozellen, den Vorläufern lebender Zellen.“
Die Forschenden schlagen auch experimentelle Ansätze vor, um diesen Mechanismus künftig im Labor nachzubilden – etwa mit flüssigem Methan unter Titan-ähnlichen Bedingungen. Außerdem empfehlen sie Messverfahren für Raumsonden, etwa die Kombination aus Laserstreuung und Raman-Spektroskopie, um Vesikel direkt in den Seen des Saturnmondes nachweisen zu können.
„Die Entstehung von Vesikeln unter lebensfremden Bedingungen würde zeigen, dass die Grundprinzipien biologischer Selbstorganisation nicht an Wasser oder irdische Verhältnisse gebunden sind“, sagt Mayer. „Das eröffnet völlig neue Perspektiven für die Astrobiologie – und für unsere Vorstellung, wo Leben entstehen kann.“
Gespannt blicken Mayer und Nixon auf die NASA-Mission Dragonfly Sie soll im Juli 2028 starten und wird umfangreiche Oberflächenmessungen auf Titan durchführen sowie atmosphärische und geophysikalische Daten sammeln – wenn die Rakete gelandet ist: im Jahr 2034.